Politisches Samstagsgebet München
23. Mrz 2024 – 18:00 Uhr ,
Kath.
Hochschulgemeinde,
Leopoldstr.
11; U3/U6 Giselastraße, Ausgang Georgenstraße
„Green Deal“Europa als Wegweiser?
In einem offenen Brief haben schon im Jahr 2018 vom Klimawandel betroffene Menschen aus verschiedenen Ländern an die EU geschrieben:
„Wir appellieren an die EU-EntscheidungsträgerInnen, auf die Stimme
der Wissenschaft zu hören und die EU-Klimaziele für das Jahr 2030 auf
einen Pfad zu bringen, der mit dem 1,5°-Ziel vereinbar ist. Dies ist der
einzig mögliche Weg, um die BürgerInnen der EU vor den schlimmer
werdenden Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Und der einzig
mögliche Weg, um als eine Generation von EU-PolitikerInnen in Erinnerung
zu bleiben, die Geschichte zum Wohle aller geschrieben
hat.“
Das war wohl auch ein Grund für die
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, dass sie die Begrenzung der
Erderwärmung zu einem der wichtigsten Themen ihrer Amtszeit gemacht hat.
Ihr so genannter Green Deal von 2019 soll dazu beitragen, dass Europa
im Jahr 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird. Um das zu schaffen,
müssen die bisherigen Klimaziele erheblich verschärft
werden.
„Der europäische Grüne Deal ist unsere
neue Wachstumsstrategie. Er wird es uns ermöglichen, die Emissionen zu
senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.“ so Ursula von der Leyen.
„Wir schlagen einen grünen und inklusiven Übergang vor, der dazu
beiträgt, das Wohlergehen der Menschen zu verbessern und für künftige
Generationen einen gesunden Planeten zu sichern.“, so schwärmt Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission.
In der Verlautbarung der EU-Kommission heißt es:
„Der
europäische Grüne Deal soll zur Verbesserung des Wohlergehens der
Bürgerinnen und Bürger beitragen. Die Schaffung eines klimaneutralen Europas
und der Schutz unseres natürlichen Lebensraums werden sich positiv auf
die Menschen, den Planeten und die Wirtschaft auswirken. Niemand wird
zurückgelassen.
Die EU wird bis 2050 klimaneutral sein. ….
Die Kommission wird ein europäisches Klimaschutzgesetz vorschlagen,
damit diese politische Verpflichtung rechtsverbindlich und zum Auslöser
für Investitionen wird.“
Um dieses Ziel zu erreichen, sind weitreichende Maßnahmen in allen
Sektoren der Wirtschaft erforderlich: Energie, Gebäude, Industrie,
Mobilität und Landwirtschaft.
Für ihren Einsatz für den
European Green Deal wurde EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit
dem Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises
ausgezeichnet.
Der Investitionsplan für den europäischen
Grünen Deal sieht vor, in den kommenden zehn Jahren öffentliche und
private Investitionen in Höhe von mindestens einer Billion Euro zu
mobilisieren.
Dafür möchte die EU-Kommission zwischen 2021 und 2030
öffentliche und private Investitionen in Klimaprojekte von etwa 100
Milliarden Euro pro Jahr einsetzen.
Was ist neu und wirklich grün an diesem als hoch ambitioniert
gepriesenem Green Deal und wie ist er in seiner Wirkung zu beurteilen?
Kann dadurch tatsächlich die versprochene sozial-ökologische Wende
erreicht werden und wird die notwendige Verringerung des ökologischen
Fußabdrucks nicht zu Lasten der Menschen führen, die ohnehin am
stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, aber am
wenigsten dafür verantwortlich sind?
Ist die vorgelegte Taxonomie
(Nachhaltigkeitskriterien) gar ein Beispiel von Greenwashing und ist
auch die Fortsetzung der bestehenden Wachstumsstrategie ein Irrweg?
Umweltverbände erachten die Ziele als unzureichend, während
Industrieverbände und die Landwirtschaft sie als überzogen sehen und
nachteilige Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wettbewerbsbedingungen
befürchten. Auch die enormen finanziellen Kosten für alle Bürger:Innen
werden kritisiert. Ob die Mehrheit der Bevölkerung die Maßnahmen
mitträgt, die auch zu Einschränkungen im persönlichen Lebensstil führen,
wird bezweifelt.
Auch Entwicklungs- und Schwellenländer üben
Kritik, da sie Nachteile bei der EU-Handelspolitik befürchten, die dann
vorrangig klimapolitische Ziele verfolgt.
Aufgrund der Kritik hat die EU-Kommission selbst Rückzieher bei ihren Plänen gemacht und das Klimaschutzgesetz verwässert. Die EU-Wahlen im Juni könnten gar den gesamten Deal zum Scheitern bringen.
(Der Text stammt von Erwin Schelbert)
Erwin Schelbert, i.R. war in der Studiengesellschaft für Friedensforschung München e.V. beschäftigt und ist seit vielen Jahren in der Friedensbewegung engagiert.
Eva Haubenthaler war lange Zeit als Gemeindereferentin in der Klinikseelsorger tätig und engagiert sich als pax christi Mitglied in der Gruppe Erding-Dorfen.